Das zwischen Europa und Asien, zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer gelegene Georgien wird Gastland des 28. FILMKUNSTFESTs Mecklenburg Vorpommern, das in der Landeshauptstadt Schwerin vom 1.-6. Mai 2018 stattfinden wird.
„Wir möchten mit dem Schwerpunkt die reiche Tradition des Filmlands Georgien herausheben, die bis in die frühen Tage des sowjetischen Kinos zurückreicht und in den letzten Jahren eine neue Blüte erlebt. Die aktuellen Produktionen spiegeln die besondere geografische, gesellschaftspolitische und kulturelle Situation des Landes wieder, mit der wir uns auseinandersetzen möchten“, sagt der Künstlerische Leiter des Schweriner Festivals, Volker Kufahl, zur Wahl des Gastlandes, das er in diesem Jahr zweimal bereist hat.
Im September war Volker Kufahl Mitglied der international besetzten Dokumentarfilmjury beim 12. Internationalen Arthouse Filmfestival (BIAFF) in Batumi am Schwarzen Meer, deren Vorsitz der 79-jährige Regisseur Alexander Rekhviashvili aus Georgien innehatte. Bei dieser Gelegenheit schloss Kufahl eine Kooperationsvereinbarung mit seinen georgischen Festivalkollegen Giorgi Gogiberidze und Zviad Eliziani.
Hauptbestandteil der Vereinbarung ist die Kooperation der beiden Festivals in Form eines filmkulturellen Austauschs zwischen Deutschland und Georgien. Beim 28. FILMKUNSTFEST MV im Mai 2018 sollen in Kooperation mit dem BIAFF aktuelle georgische Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme aufgeführt und georgische Filmschaffende nach Schwerin eingeladen werden.
Georgien verfügt über eine reiche Filmtradition, an der zu Zeiten der UdSSR die Grusia-Film-Studios in der Hauptstadt Tiflis bedeutenden Anteil hatten. Seit einiger Zeit macht das Land auf internationalen Filmfestivals mit seiner Filmkultur wieder auf sich aufmerksam. Auf der letzten Berlinale war Georgien gleich mit 3 Filmen vertreten. Der Film „Die Maisinsel“ von George Ovashvili wurde 2014 und 2015 auf zahlreichen internationalen Festivals ausgezeichnet. Vor kurzem lief der neue Film des georgisch-deutschen Regiepaares Nana Ekvtimishvili und Simon Groß, „Meine glückliche Familie“, in den deutschen Programmkinos. Einer der großen Autorenfilmer des Weltkinos, der 1934 in Tiflis geborene Otar Iosseliani, veröffentlichte 2015 mit „Chant d’Hiver“ („Winter Song“) ein Meisterwerk. 2018 wird Georgien auch Gastland der Frankfurter Buchmesse sein.
Georgiens Filmgeschichte wird in Schwerin unter anderem mit einer Aufführung des Films „Chemi Bebia“ („Meine Großmutter“ von Kote Mikaberidse, 1929) gewürdigt. Der Film wird am Flügel von der gefeierten georgischen Konzertpianistin Dudana Mazmanishvili begleitet. Kote Mikaberidses experimentelle Satire über Bürokratie und Nepotismus war der erste in Georgien verbotene Film und konnte fast 40 Jahre lang nicht gezeigt werden.
„Die konstruktivistischen Studiobauten, das exaltierte Spiel der Darsteller, die satirische Überzeichnung des Arbeitsablaufs, Stopptrick, Animation, Geschwindigkeitsveränderungen, verkantete und teilweise verzerrende Kameraeinstellungen sowie die Kommentierung des Dargestellten durch einen Chor von Marionetten waren den Zensoren Gründe genug, dem Film ‚Formalismus‘ vorzuwerfen“ (zitiert nach Arsenal – Institut für Film und Videokunst, Berlin).
Georgien erlebte nach dem Zerfall der Sowjetunion, mehreren Bürgerkriegen und Wirtschaftskrisen schwere Zeiten. Dank tiefgreifender Reformen insbesondere im Verlauf der 2000er Jahre konnte sich das Land wirtschaftlich und kulturell erholen und entdeckt zunehmend den Tourismus für sich.
Speziell auf diesem Gebiet gibt es auch personelle Verbindungen zu Mecklenburg-Vorpommern: Hans-Ulrich Trosien, der frühere DEHOGA-Vorsitzende der Region Schwerin, ist seit sechs Jahren Berater für nachhaltige Tourismusentwicklung für die autonome Region Ajara (Adscharien) und deren Hauptstadt Batumi und kümmert sich dort z.B. um die Entwicklung des ländlich-ökologisch geprägten Tourismus, die berufliche Ausbildung im Hotel- und Servicegewerbe und Trainings für Manager. Der ehemalige Schweriner Gastronom („Altstadtbrauhaus“) stellte den Kontakt zum Filmfestival in Batumi her.
Ergänzt wird das Filmprogramm durch Rahmenveranstaltungen, unter anderem mit einer Ausstellung des Fotografen und Georgien-Kenners Wolfgang Korall, der das Land als DDR-Bürger bereits seit Ende der 70er Jahre bereiste und sich in Land und Leute verliebte. Auf einer Wanderung durch den Kaukasus stieß Kufahl im Bergdorf Ushguli auf Koralls Fotoband „Swanetien. Abschied von der Zeit“ von 1991. Begeistert von den Aufnahmen nahm er Kontakt zu dem in Berlin lebenden Künstler auf und lud ihn für eine Ausstellung nach Schwerin ein.
In Kooperation mit dem MV Foto e.V. präsentiert das FILMKUNSTFEST MV vom 2. bis 25. Mai 2018 großformatige Aufnahmen aus Wolfgang Koralls neuem Bildband „Die Seele Georgiens“. Bereits ab 20. Januar 2018 werden Arbeiten von Wolfgang Korall in einer Gemeinschaftsausstellung unter dem Titel „Künstler sein“ in der Galerie des renommierten Kunstvereins Wiligrad auf Schloss Wiligrad zu sehen sein.
Ein weiterer Höhepunkt der georgischen Kulturreihe auf dem nächsten FILMKUNSTFEST MV wird eine Lesung sein, die in Kooperation mit der Buchhandlung Hugendubel stattfindet. Die in Tiflis geborene, mittlerweile in Hamburg lebende Schriftstellerin Nino Haratischwili wird ihren 2014 veröffentlichten Roman „Das achte Leben (Für Brilka)“ vorstellen, für den sie das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung erhielt. In dem von Kritikern hochgelobte, mit Thomas Manns „Buddenbrooks“ verglichenen Epos erzählt Haratischwili über mehrere Generationen hinweg von georgisch-russischen Frauenschicksalen. Dabei entwirft sie einen opulenten Erzählbogen, dessen historischen Bezüge von Stalins Diktatur bis in die post-sowjetische Ära reichen.